Innerer Weg

Man muss den Dingen

die eigene, stille,

ungestörte Entwicklung lassen, die tief von innen kommt

und durch nichts gedrängt

oder beschleunigt werden kann;

alles ist austragen – und

dann gebären …

Reifen wie der Baum,

der seine Säfte nicht drängt

und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,

ohne Angst,

dass dahinter kein Sommer

kommen könnte.

Er kommt doch!

Aber er kommt nur zu den Geduldigen,

die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,

so sorglos, still und weit..

Man muss Geduld haben

mit dem Ungelösten im Herzen

und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,

wie verschlossene Stuben,

und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.

Es handelt sich darum, alles zu leben.

Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,

ohne es zu merken, eines fremden Tages

in die Antwort hinein.

(aus: Rainer Maria Rilke, „Briefe an einen jungen Dichter“, Insel- Verlag)

Maol a Chliobain

Vorzeiten lebte eine Witwe, und sie hatte drei Töchter; die sagten zu ihrer Mutter, sie wollten ausziehen, ihr Glück zu machen. Die Mutter buk drei Laibchen Brot. Sie sagte zu der Ältesten: „Was willst du lieber haben, den kleineren Teil und meinen Segen oder den größeren und meinen Fluch?“ – „Ich will lieber den größeren haben“, sagte sie, „und deinen Fluch“. Continue reading

Innerer sicherer Ort

Ich möchte Sie einladen, die Übung des sicheren inneren Ortes zu machen. Lassen Sie Gedanken oder Vorstellungen oder Bilder aufsteigen von einem Ort, an dem Sie sich ganz wohl und geborgen fühlen.

…Dieser Ort kann auf der Erde sein, er muss es aber durchaus nicht. Er kann auch außerhalb der Erde sein. … Geben Sie diesem Ort eine Begrenzung Ihrer Wahl, die so beschaffen ist, dass nur Sie bestimmen können, welche Lebewesen an diesem Ort, Ihrem Ort, sein sollen, sein dürfen. Continue reading

C.G.Jung, GW, Band 18/2, §1095 ff.

… Die Individuation entzieht den Menschen der persönlichen Einstimmigkeit und damit der Kollektivität. Das ist die Schuld, die der Individuierte der Welt hinterlässt und die er einzulösen sich bemühen muss. Er hat an Stelle seiner selbst ein Lösegeld zu zahlen, das heißt, er muss Werte hervorbringen, die seine Abwesenheit in der kollektivpersönlichen Atmosphäre äquivalent ersetzen. Continue reading

Kein Wasser, kein Mond

Als die Nonne Chiyono unter Bukko von Engaku Zen studierte, war sie lange Zeit unfähig, die Früchte der Meditation zu ernten.

Schließlich, in einer Mondnacht, holte sie Wasser in einem alten Eimer, der mit Bambus zusammengebunden war. Der Bambus riss, und der Boden fiel aus dem Eimer, und in diesem Augenblick wurde Chiyono befreit! Continue reading